Wer derzeit ein Termin für die Zulassung eines Fahrzeugs vereinbaren möchte, muss sich auf Wartezeiten von über vier Wochen einstellen. Wer nicht so lange warten kann, muss sehr früh aufstehen oder sogar vor dem Kreishaus in Bad Schwalbach übernachten. Der Kreisverband der Jungen Union Rheingau-Taunus hält die aktuellen Zustände für eine Zumutung für alle Bürgerinnen und Bürger aus dem Kreisgebiet. Weil die Situation seit über zwei Monaten absehbar ist, sieht der CDU-Nachwuchs Landrat Frank Killian in Verantwortung. „Es sollte für einen Landrat Priorität haben, Behördengänge für die Einwohner im Kreisgebiet so einfach wie möglich zu gestalten. Auch unter Berücksichtigung der Hygienemaßnahmen sehen wir erhebliche Mängel in der Informationspolitik und ungenutzte Möglichkeiten der Digitalisierung“, so der Kreisvorsitzende Lukas Brandscheid.

Unzumutbare Zustände und mangelhafte Informationspolitik

Zwar ist auf der Webseite der Kreisverwaltung zu lesen, dass die zeitliche Abfertigung durch vor Ort in der Anzahl begrenzten Wartemarken erfolgt, jedoch wird ein aktuell erhöhtes Aufkommen nicht erwähnt. Trotzdem hat sich bereits herumgesprochen, dass ein Erscheinen wenige Minuten vor offizieller Öffnung der Zulassungsstelle um 7:30 Uhr nicht mehr ausreicht. Wer am Mittwoch sein Auto zulassen wollte, hat erfahren, dass die ersten Wartenden bereits um 5:30 Uhr ihre Stellung vor dem Kreishaus einnahmen. Es bildete sich eine Schlange, die sich über mehrere hundert Meter über das Gelände der Kreisverwaltung erstrecke. Unter den wartenden Personen befand sich ein Paar, das aus Verzweiflung sogar im Wohnmobil vor dem Kreishaus übernachtete. Nachdem sie zwei Tage zuvor trotz frühen Erscheinens mit der Zulassung gescheitert seien, wollten sie nichts dem Zufall überlassen.

Als sich am Mittwoch die Pforten öffneten, wurde verärgerten Bürgerinnen und Bürgern auf Nachfrage mitgeteilt, dass alle jene, die zum Teil vor 7:00 Uhr vor Ort waren und trotzdem keine Wartemarke mehr erhalten haben, an dem Tag vorrausichtlich nicht mehr drankämen.

Als Entgegenkommen für alle, die nur ein Auto abmelden wollen, hat man einen gesonderten Schalter eingerichtet. Dort ist es möglich, ohne dem Ziehen einer limitieren Wartemarke sein Auto abzumelden. Dieser sei nach Aussage von Brandscheid aber nur schwer zu finden. „Lediglich auf Nachfrage kann man von der Möglichkeit der gesonderten Behandlung von Abmeldungen erfahren. Mit einem einfachen Schild hätte man große Verwirrungen vermeiden können“, merkt der Kreisvorsitzende an.

Seit Monaten absehbare Situation

Bedingt durch die im März verhängten Kontaktbeschränkungen waren die Möglichkeiten zur Bearbeitung von Vorgängen auf der Zulassungsstelle mit direktem Kontakt limitiert. Bereits Ende April beichtete der Wiesbadener Kurier über die Komplikationen, denen Bürgerinnen und Bürger bei der KFZ-Zulassung begegnen. Das Thema fand durch einen Antrag der AfD-Fraktion sogar Eingang in die Kreistagssitzung Anfang Juni. „Spätestens als das Thema durch die AfD auf die politische Bühne gehoben wurde, hätten bei Landrat Kilian alle Alarmglocken läuten müssen. Zu diesem Zeitpunkt gab es genug zeitlichen Handlungsspielraum für den Chef der Kreisverwaltung, die aktuellen Zustände zu vermeiden“, kommentiert Brandscheid. Sein Kreisvorstandskollege Leon Rückert pflichtet ihm bei: „Behördengänge wie die KFZ-Zulassung sind zentrale Schnittstelle zwischen Einwohnern des Kreises und der öffentlichen Verwaltung. Wer hier die Anliegen der Bürgerinnen und Bürger fahrlässig behandelt, setzt das Vertrauen in die Handlungsfähigkeit öffentlicher Institutionen auf das Spiel. Gerade in Zeiten von steigendem Populismus, muss alles getan werden, einen solchen Vertrauensverlust zu verhindern.“

Für die Junge Union ist es eine Selbstverständlichkeit, dass alle Prozesse dem Infektionsschutz entsprechen und Mitarbeiter der Kreisverwaltung geschützt werden. Für die Vertreter der Jugendorganisation ist aber nicht verständlich, wie man den Bürger dermaßen hängen lassen kann: „Es geht hier nicht um das Vergnügen, ein neues Auto zu fahren - in unserer ländlichen Region sind viele auf den motorisierten Individualverkehr angewiesen. Im Kreisgebiet gibt es etwa 20.000 Pendler, die ohne Auto ihren Arbeitsplatz nicht erreichen können. Es muss das Ziel einer Kreisverwaltung sein, ihnen neben der Arbeitsbelastung und alltäglichen Verpflichtungen nicht zusätzliche Barrieren zu schaffen“, kommentiert JU-Kreisvorsitzender Brandscheid.

Wie die Junge Union weiter erläutert, wird das aktuelle Angebot der Kreistagsverwaltung dem derzeitig angestauten Bedarf schlicht nicht gerecht. „Es reicht nicht aus, nur zwei Vormittage in der Woche einen der drei kreisweiten Standorte für kurzfristige Zulassungs-Vorhaben zu öffnen. Die Kreisverwaltung ist es dem steuerzahlenden Bürger schuldig, reibungslose Verfahren zu gewährleisten. Aufgrund der aktuellen Situation sollten Lösungen wie die Ausweitung der Öffnungszeiten in die Abendstunden oder die Öffnung der Zulassungsstelle an Samstagen in Erwägung gezogen werden“, fordert der JU-Kreisvorsitzende.

Digitalisierung verschlafen

„Überall im Land sehen wir, wie Unternehmen, Schulen und Vereine, die digitale Möglichkeiten genutzt haben, um mit den Kontaktbeschränkungen umzugehen“, erinnert Kreisvorstandsmitglied Rückert. Als Beispiel weist er auf ein Facebook-Live-Format, das die Junge Union Rheingau-Taunus etabliert hat. „Wie es uns scheint, ist von der in der Gesellschaft und Wirtschaft verbreitete Digitalisierungsschub in der Kreisverwaltung nicht angekommen“, schildert Rückert seine Eindrücke und ist sich sicher, dass die Kreisverwaltung zu Lasten des Bürgers viele Potenziale nicht ausschöpft.

Die Vertreter der JU betonen, dass man mit einfachen Mitteln erhebliche Beschleunigungen der Prozesse erreichen könne: „In einem Videotelefonat könnte man Dokumente vorab prüfen und Rückfragen klären, noch bevor der Bürger die Odyssee vor dem Kreishaus auf sich nimmt. So würden ärgerliche Situationen vermieden. Mittlerweile ist es zudem problemlos möglich, sich auch online zu identifizieren, hier könnten mit ein bisschen Ehrgeiz – bis auf die Abholung von Dokumenten und Kennzeichen – im Prinzip alle Schritte online erfolgen“, erläutert Brandscheid den möglichen Lösungsansatz.

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